„Bei Investitionen nicht aufs Gaspedal“
Quelle: RHEINPFALZ von Alexander Sperk
Blickpunkt: Im neuen Dürkheimer Stadtrat hat ein Bündnis aus SPD, Grünen und Freier Wählergemeinschaft die Mehrheit. Die Eckpfeiler der Politik sind in einem siebenseitigen Koalitionspapier festgelegt. Die Fraktionschefs Ralf Lang (SPD), Reinhart Zobel (Grüne) und Jochen Schmitt (FWG) über Ziele, Schwerpunkte und Wünsche für die kommende Wahlperiode.
Es ist ein neuer Abschnitt in der Dürkheimer Kommunalpolitik: Nach 20 Jahren Koalition mit CDU und FDP sind die Grünen Ende Juni mit SPD und Freier Wählergemeinschaft (FWG) ein Bündnis eingegangen. „20 Jahre Jamaika waren einzigartig. Es war eine vertrauensvolle und kollegiale Zusammenarbeit, für die wir uns ausdrücklich bedanken wollen. Allerdings war das Ergebnis der Wahlen auch ein Signal, dass die Wähler etwas anderes wollen“, sagt Reinhart Zobel, einer der beiden Fraktionssprecher der Grünen im Dürkheimer Stadtrat. Ausschlaggebend für die Entscheidung seien größere inhaltliche Übereinstimmungen mit den neuen Partnern gewesen, ergänzt er.
Neuer Beirat für Klimaschutz
Zentrale Bestandteile der Vereinbarung von SPD, Grünen und FWG sind die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Als wichtigen Baustein dafür sehen die Koalitionspartner die Einrichtung eines Klimaschutzbeirats, wie es ihn beispielsweise in Städten wie Mainz oder Wiesbaden, aber auch in Haßloch gibt. Das Gremium, in dem sowohl Vertreter der Fraktionen als auch unabhängige Experten sitzen werden, soll Stadtrat und Verwaltung in Klimaschutz und Nachhaltigkeitsfragen beraten. Diese sollen künftig sogenannte Querschnittsaufgaben sein, die in allen Politikbereichen Niederschlag finden. Schon bei der nächsten Stadtratssitzung am 20. August könnte die für den Beirat erforderliche Satzung beschlossen werden. „Der Stadtrat bleibt aber auch beim Klimaschutz das oberste Organ“, versichert SPD-Fraktionschef Ralf Lang. Dennoch werde das Gremium „kein zahnloser Tiger“ sein, wie Zobel betont und nicht nur beraten, sondern auch selbst initiativ werden können.
Tempo 30 wird ausgeweitet
„Wir wollen das Mobilitätskonzept zügig mit Leben füllen“, formuliert Jochen Schmitt ein weiteres Aufgabenfeld. Dabei gehe es beispielsweise darum, Einbahnstraßenregelungen für die Innenstadt zu prüfen. „Ich habe wenig Hoffnung, dass PTV uns da weiterbringt“, sagt der FWG-Fraktionssprecher mit Blick auf das Karlsruher Büro, das im Auftrag der Stadt das Mobilitätskonzept erstellt hat. Wichtig sei, dass ein Konzept gefunden werde, das von allen Fraktionen im Stadtrat mitgetragen wird. „Bei den Einbahnstraßen wird es Gewinner und Verlierer unter den Anwohnern geben“, sagt Lang. Im Koalitionspapier fixiert ist die Einführung von Tempo 30 in Triftweg, Wasserhohl, Friedelsheimer Straße, Seebacher Straße und Hammelstalstraße. Diese fünf Straßen waren im vergangenen Jahr von der Entscheidung des Stadtrats ausgenommen worden, im Stadtgebiet flächendeckend Tempo 30 außer auf Bundes- und Landesstraßen einzuführen. „Wir wollen keinen Flickenteppich“, sagt Zobel. Ralf Lang, der sich im vergangenen Jahr noch dafür ausgesprochen hatte, beispielsweise die Seebacher Straße bei Tempo 50 zu belassen, betont, für ihn sei es wichtig, dass der ruhende Verkehr in den betroffenen Straßen so geregelt werde, dass er nicht zum Hindernis für den fließenden Verkehr werde. Dann trage er auch eine Tempo-30-Regelung mit. „Wir wollen ja auch in Richtung Fahrradstadt gehen“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende.
Parkgebühren für Tagesgäste?
Die Koalition möchte zudem die Verwaltung damit beauftragen, ein Konzept für gebührenpflichtiges Parken auf dem Wurstmarktplatz an Wochenenden zu erarbeiten. „Wir sind der Meinung, dass das Parken auf dem Wurstmarktplatz für Tagestouristen samstags und sonntags nicht gebührenfrei bleiben sollte“, sagt FWG-Fraktionssprecher Schmitt. Besuchern von Therme oder Salinarium könnten die Gebühren rückvergütet werden, so die Gedankenspiele der Koalitionäre.
SPD, Grüne und FWG sprechen sich im Koalitionsvertrag auch dafür aus, einen weiteren Platz für Parkmöglichkeiten und Veranstaltungen zu schaffen, um den Wurstmarktplatz zu entlasten. Dadurch könne auch der Verkehr in Richtung Zentrum verringert werden, so die Überlegung.
„Sanierungsstau beseitigen“
Vor allem die SPD hatte sich im Wahlkampf die Schaffung bezahlbaren Wohnraums in der Stadt sowie die Sanierung der städtischen Wohnungen auf die Fahnen geschrieben. Der SPD-Beigeordnete Karl Brust soll sich künftig um die Beseitigung des „Sanierungsstaus“ bei städtischen Wohnungen kümmern. Die Koalitionäre wollen auch prüfen, ob sich die Gründung einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft lohnt, die für die rund 200 Wohnungen im Besitz der Stadt zuständig ist.
Um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wollen SPD, Grüne und FWG unter anderem eine Quote für geförderten Wohnraum bei künftigen Neubaugebieten. Es sei auch eine Überlegung wert, jungen Familien Grundstücke in Erbpacht anzubieten, sagt Lang. Auch Mehrgenerationen-Wohnprojekte wolle man unterstützen.
Besonders in den Ortsteilen sollen außerdem Begegnungsstätten für die Bürger entstehen. „Warum soll die Erfolgsgeschichte Mehrgenerationenhaus nur in der Trift stattfinden?“, fragt Lang. Dabei müsse nicht zwangsläufig neu gebaut werden, solche Angebote könnten auch in bestehenden Gebäuden gemacht werden, ergänzt der SPD-Fraktionschef. Er denke dabei beispielsweise an den Trakt 3 der Valentin-Ostertag-Schule, der ohnehin umgebaut werden müsse.
„Keine Utopien“
„In unserem Koalitionsvertrag stehen keine Utopien“, betont Zobel. FWG-Fraktionssprecher Jochen Schmitt ergänzt, das Papier sei gut diskutiert, „Ecken und Kanten“ seien bei den Gesprächen abgerieben worden. Allerdings sei klar, dass der Spielraum für Investitionen in den kommenden Jahren durch Großprojekte wie Therme oder Brunnenhalle begrenzt sei. „Wir wissen, dass wir da nicht weiter aufs Gaspedal treten können“, sagt Schmitt. Wichtig sei, dass freiwillige Leistungen wie die Förderung von Kultur oder Vereinen „nicht flöten gehen“, ergänzt Schmitt.